Notenbank-Blick auf den Euro-Raum

 

Einen Notenbank-Blick auf den Euro-Raum zu werfen, versprach Dr. Jens Weidmann seinem Publikum beim 2. Finance Forum Liechtenstein.

In seiner gestrigen Rede formulierte der Bundesbank-Präsident dazu drei Kern-Thesen:

1. Die europäische Geldpolitik hat sich weit in unbekanntes Terrain vorgewagt und das Risiko einer Vereinnahmung durch die Fiskalpolitik steigt. In der derzeit zugegebenermaßen schwierigen geldpolitischen Abwägung dürfen die Risiken nicht unterschätzt und die Fähigkeiten der Geldpolitik nicht überschätzt werden.
2. Um die Währungsunion langfristig zu stabilisieren ist eine Reform ihres institutionellen Ordnungsrahmens nötig. Dabei muss die Balance von Handeln und Haften wiederhergestellt werden.
3. In der Finanzmarktregulierung wurden bedeutsame Fortschritte erzielt, so dass unser Bankensystem heute robuster ist als vor der Finanzkrise. Vollständig abgearbeitet ist die Regulierungsagenda aber noch nicht, weder für die Banken noch die Schattenbanken.

Er schilderte die Datenlage und die – durchaus heftigen – Diskussionen innerhalb der EZB zur europäischen Geldpolitik. Das veränderte Prognosebild sei geldpolitisch durchaus herausfordernd gewesen und habe Handlungsbedarf angezeigt. „In dieser Frage bestand Einigkeit im EZB-Rat. Allerdings gingen mir die Beschlüsse in ihrer Gesamtschau zu weit und das umfassende Maßnahmenbündel hat mich nicht überzeugt.“

Er wies darauf hin, dass das Risiko von Blasen an den Finanzmärkten wachse und führte aus, dass verschiedene Mitgliedsstaaten des Euro-Raums bereits Maßnahmen ergriffen hätten, um zum Beispiel Übertreibungen am Immobilienmarkt vorzubeugen. Aber auch die Banken seien gefragt und müssten ihre Geschäftsmodell überprüfen, „ihre Bilanzen solide aufstellen und den sich bietenden Raum für Konsolidierungen nutzen, um Kosten zu sparen. Andernfalls könnte es ihnen in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld schwer fallen, Gewinne zu thesaurieren, um damit das Eigenkapital weiter zu stärken.“

Seine Einstellung zum Ordnungsrahmen der Währungsunion hat mich überzeugt. „Zu den Risiken der ultra-lockeren Geldpolitik gehört auch die Gefahr, dass die niedrigen Zinsen und die umfangreichen Staatsanleihekäufe den Konsolidierungs- und Reformdruck in den Mitgliedstaaten reduzieren.“ Nicht überraschend sei, dass der Konsolidierungseifer in den Euro-Ländern zuletzt nachgelassen habe. Zu deutsch: das Geld gibts viel zu billig, als dass die Politiker der verschuldeten Euro-Länder schwierige Reformen durchführen würden, die sie Parlamentssitz und Altersversorgung kosten könnten.

„Dabei wurden als Reaktion auf die Finanz- und Schuldenkrise eigentlich strengere Fiskalregeln für die Mitgliedstaaten der Währungsunion vereinbart.“ Was hilfts, wenn sich keiner dran hält?

„Im Rahmen der Krisenbewältigung im Euro-Raum wurden dann aber nicht nur Risiken über den Euro-Rettungsschirm vergemeinschaftet, sondern auch über die Bilanz des Eurosystems.“ Aber genau diese gegenseitige Haftung habe der Maastricht-Vertrag in seiner „No-Bailout“-Regel ausdrücklich ausgeschlossen.

In seiner Rede wies er explizit darauf hin, dass die derzeitige Handlungsweise der Euro-Länder nicht mit Walter Euckens Haftungsprinzip zu vereinbaren sei: „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“. Walter Eucken war Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und begründete die Freiburger Schule des Ordoliberalismus.

Im dritten Teil seiner Rede widmete er sich den Banken. „Noch heute leiden viele Banken unter Altlasten in ihren Bilanzen. Hohe Bestände an notleidenden Krediten belasten insbesondere eigenkapital- und ertragsschwache Institute im Euro-Raum. So schreitet die Bereinigung der Bankbilanzen zwar voran, ist aber auf absehbare Zeit noch nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist es übrigens wenig erstaunlich, dass die Kreditvergabe der Banken im Euro-Raum trotz der äußerst expansiven Geldpolitik nach wie vor schwächelt.“

Nur wollen leider die Banken ihr eigenes Spiel spielen und denken nicht daran, anfallende Verluste selbst zu tragen. Die Stresstest gefallen ihnen nicht und sie sind offensichtlich auch gar nicht glücklich darüber, den Steuerzahlen nicht in Anspruch nehmen zu dürfen.

Der meiner Meinung nach wichtigste Satz in seiner Rede: „Wer die Eigentümer- und Gläubigerhaftung nun aber schon wieder in Frage stellt, sollte auch offenlegen, wer denn stattdessen für die Verluste einer gescheiterten Bank einstehen soll. Der Steuerzahler darf es jedenfalls nicht sein, das würde die gesellschaftliche Akzeptanz unserer marktwirtschaftlichen Ordnung aufs Spiel setzen.“

Danach setzte er sich noch mit allgemeinen Fragen zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte auseinander und sprach auch die Fintechs und ihre Rolle im Finanzsystem an.

Alles in Allem eine bemerkenswerte Rede, die auch unsere Politiker der Regierungsparteien, allen voran Angela Merkel und Sigmar Gabriel lesen sollten. Wer sich für den Wortlaut der Rede interessiert, kann sich hier die Druckversion herunterladen.