Um die Frage gleich vorweg zu beantworten: Nein, es hat nur ein anderer.
Das klingt jetzt vielleicht lustig und man könnte meinen, ich würde mich über die Aktionäre dieses chinesischen Herstellers von Armaturen lustig machen. Aber weit gefehlt: sie tun mir leid, weil sie gutgläubig auf vollmundige Versprechen von Gaunern hereingefallen sind.
Eine chinesische AG, die in Frankfurt gelistet wird? Da läuten bei mir alle Alarmglocken. Frage: Warum machen die das so? Antwort: Weil sie an das „dumme deutsche Geld“ wollen.
Ja, die Aktionäre in Deutschland gelten weltweit unter den Finanzhaien jeglicher Couleur als dumm. Weil man ihnen das Geld abnehmen kann und sie auch noch dankbar dafür sind, dass man ihnen eine fantastische Chance gegeben hat, viel Geld zu machen – mit Schrottpapieren von potemkinschen Firmen, die fernab in China unkontrollierbare Geschäfte machen, wenn sie überhaupt Geschäfte machen und nicht nur so tun als ob.
Am 31. Juli 2014 schliesst die Joyou AG eine Kreditvereinbarung (Laufzeit 5 Jahre) über 300 Millionen US-Dollar mit einem japanischen Banken-Konsortium ab, die für Investitionen und eine günstige Refinanzierung alter Schulden vorgesehen sind.
Am 27. April 2015 veranlasst der Vorstand eine Sonderuntersuchung aufgrund „jüngster Informationen zu Geschäftsvorfällen bei Tochtergesellschaften“. Der Aufsichtsrat stellt die Mitglieder des Vorstandes, Jianshe Cai und Jilin Cai, kalt und ernennt Interims-Vorstände.
Im Laufe weniger Tage verliert die Aktie fast dreiviertel ihres Wertes.
Am 3. Mai 2015 meldet die Joyou AG, die laufende Sonderuntersuchung habe ergeben, „dass von wesentlichen Abweichungen bei der Höhe des erzielten Umsatzes, der Höhe der Verbindlichkeiten und der Höhe der verfügbaren Barmittel im Vergleich zu den von der Gesellschaft in den Finanzberichten für das Jahr 2014 gemeldeten Positionen auszugehen ist. Diese Abweichungen führen voraussichtlich dazu, dass in den Finanzberichten der Gesellschaft für das Jahr 2014 die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu positiv dargestellt wurde. Das genaue Ausmaß der Abweichungen wird derzeit im Rahmen der wirtschaftlichen und rechtlichen Sonderuntersuchung ermittelt.“
Am 20. Mai 2015 meldet der Vorstand, dass „nach dem gegenwärtigen Stand der laufenden Sonderuntersuchung bei Tochtergesellschaften der Gesellschaft bei pflichtgemäßem Ermessen anzunehmen“ sei und dass „ein Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals der Gesellschaft eingetreten ist.“ Dieser Verlust „ist im Wesentlichen auf die voraussichtlich vorzunehmende, außerplanmäßige Abschreibung auf die Beteiligung der Gesellschaft an der Hong Kong Zhongyu Sanitary Technology Ltd. zurückzuführen.“
Wem diese Hong Kong Zhongyu Sanitary Technology Ltd. wohl gehört? An der Börse HongKong gibt es darüber keine Auskunft, über CRI Search erfährt man nur, dass diese Firma eine „Unlimited Company company incorporated in Hong Kong“ ist. Weiter unten wird ausgeführt, was eine „Unlimited Company“ ist: Im Falle eines Konkurses haben die Gläubiger vollen Zugriff auf die Vermögenswerte der Firma, jedoch keinen Zugriff auf die privaten Vermögen des Managements oder der Anteilseigner.
Daraus ergibt sich ein wohlschmeckendes Rezept: man nehme Gelder aus der Firma und überführe sie in das Privatvermögen. Dann lasse man die Firma in Konkurs gehen und den Kurs abstürzen. Die Aktie verliert weiter an Wert, am Ende und fällt unter 1 Euro.
21. Mai 2015 – „Der Vorstand der Joyou AG (die „Gesellschaft“) hat heute beschlossen, beim zuständigen Amtsgericht Hamburg den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der bestehenden Überschuldung der Gesellschaft zu stellen.“ Der Aufsichtsrat „prüft darüber hinaus umfassende rechtliche Schritte gegen Jianshe Cai und Jilin Cai einzuleiten.“
Am 26. Mai 2015 kostet die Aktie noch EUR 0,341 (Schlusskurs Xetra). Fast die komplette Kapitalanlage der Joyou-Aktionäre ist vernichtet. Aber ich bin mir sicher: irgendjemand freut sich diebisch darüber.
Dabei ist das nicht der erste Fall von Vermögensvernichtung bei chinesischen Firmen, die in Deutschland gelistet sind. Der Wahnsinn scheint Methode zu haben.
Ming le Sports (Sportbekleidungshersteller) erlebte 2014 einen herben Kurs-Einbruch. „Mehrere Lieferanten und Kunden, die in den Büchern gestanden hätten, existierten gar nicht“, begründeten die Wirtschaftsprüfer des Unternehmens und sprangen ab.
Ultrasonic (Schuhhersteller aus der chinesischen Provinz Fujian) meldete im März 2015 Insolvenz an. Der Firmenchef und ein weiterer Vorstand hätten die Firmenkasse geplündert und seien abgehauen.
Youbisheng (Kartonhersteller) meldete 2014 Insolvenz an, der Vorstandsvorsitzende verschwand spurlos.
Zhongde Waste (Erbauer und Betreiber von Müllverbrennungsanlagen) fiel vom Höchstkurs über 40 Euro auf zuletzt knapp zwei Euro.
Finger weg von China-Aktien, egal wo sie gelistet sind, ob on Deutschland, Hongkong oder USA. Sowohl die Verhältnisse vor Ort in China als auch die Unterlagen in den Büchern der Unternehmen sind einfach zu undurchsichtig. Papier ist ja bekanntlich geduldig. Und so werden aus „Kursraketen“ in Emerging Markets schnell „Rohrkrepierer“, die sauer verdientes Geld kosten.
Ich investiere – wenn schon nicht in Deutschland oder in EURO – lieber in solide, solvente skandinavische Unternehmen, die teilweise bereits jahrzehntelang gute Geschäfte machen. Die Unternehmen handeln transparent und ihre Bücher sind im Allgemeinen in Ordnung. Und sie sind nicht ganz so weit weg von uns. Für alle nordeuropäischen Unternehmen, die ich auf dem Radar habe, gibt es solide finanzielle Kennziffern, die das Geschäftsmodell gut beschreiben. Da habe ich ein ruhiges Gefühl, Geld in so eine Firma zu investieren.