Diese Aktie hebt ab!?

Unglaublich, aber leider wahr. Immer wieder fallen – vor allem unerfahrene – Anleger auf angebliche „Reichmach-Mails“ herein.

Hier ein Beispiel:

„Diese Drohnen-Aktie hebt ab!“ Weiter heisst es: „… börsennotierter Drohnen-Bauer … sieht die Zukunft der Drohnen unterwasser … Unterwasser-Drohnen sollen der nächste Verkaufsschlager im Weihnachtsgeschäft von Amazon werden … bla, bla, bla …“

Dieses Namedropping genannte Nennen von positiven Reizwörtern wie „börsennotiert“ (auch die ISIN wird dabei genannt), „Drohnen“, „Weihnachtsgeschäft“ und „Amazon“ sollen eine ganz bestimmte Botschaft transportieren und Seriosität suggerieren. So nach dem Motto „Leute kauft, bevor es zu spät ist“. Leider machen das manche auch.

Ich hab mir die Aktie mal angesehen.

Erste Anlaufstelle: die Website des Unternehmens.
Unter „Investor Relations“ findet man normalerweise alles für Investoren Wissenswertes. Hier: Fehlanzeige. Ausser einem wenig aussagekräftigen Kurzprofil und einem Hinweis auf die nächste Jahresversammlung am 22. Dezember 2014 (!) findet sich nichts. Nada. Bei „Exposé“ und „Presentations“ steht lediglich „coming soon“. Möglicherweise schon seit 2014, als der Termin eingetragen wurde 🙂

Zweite Anlaufstelle: meine Informationsquellen für Börsendaten.
Ausser einer kurzen Übersicht und einer Unternehmensbeschreibung ist nichts zu finden. Aussagekräftige Charts gibt es nicht, weil die notwendigen Daten dazu fehlen. Ausgegebene Aktien: rund 5,5 Millionen. Mehr ist nicht zu sehen.

Dritte Anlaufstelle: die Heimatbörse, in diesem Fall die Euronext Paris.
Aktuelles Tagesvolumen 1.200 Stk, durchschnittliches 20-Tage-Volumen 120 Stk, umgesetztes Kapital 0,02 Prozent. Kaufkurs 0,06 Euro, Verkaufkurs 0,01 Euro – ein nahezu „tödlicher“ Spread (Differenz zwischen Kauf- und Verkaufkurs).

Und diese Aktie soll „abheben“? Da muss jemand tolle seherische Fähigkeiten, unglaubliches Gottvertrauen haben – oder will uns einfach einen Pennystock unterjubeln, bei dem wir viel, viel Geld verlieren können.

Mein „heisser Tipp“: Finger weg von solchen Aktien!

Immer diese Sprechblasen

Ein alter PR-Spruch sagt: „Tue Gutes und rede darüber.“ An sich keine schlechte Strategie für die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmen.
Schlimm wird es aber, wenn dieser Spruch pervertiert wird: „Egal was du tust, rede nur positiv darüber.“
Das müssen sich wohl die Verantwortlichen von Volkswagen und Deutsche Bank gedacht haben.
Bei Volkswagen führte das zu „Dieselgate“ und einer immensen Bedrohung für die Zukunft eines Weltkonzerns, nur weil ein paar verantwortliche Manager und Ingenieure den Hals nicht voll bekommen haben.
Bei der Deutschen Bank kam es in dieser Woche zu einem Paukenschlag: ein Quartalsverlust von über sechs Milliarden, nur weil – wieder einmal – ein paar verantwortliche Banker den Hals nicht voll bekommen haben.
Was haben sie sich nicht alles geleistet. Da ist die Rede von Prozessbetrug, krummen Devisengeschäften, manipulierten Gold- und Silber-Preisen und Zinsmanipulationen. Von der Kirch-Geschichte ganz zu schweigen – was Rolf Breuer 2002 im TV-Interview zur Kirch-Kreditwürdigkeit besser auch gemacht hätte. Wo viel Rauch ist, ist auch viel Feuer. Es wird schon was dran sein, an den Vorwürfen. Immerhin schiebt die Deutsche Bank eine Flut von rund 7.000 Prozessen vor sich her. Da haben sich verantwortliche Banker offenbar ganz schön ins Zeug gelegt, für das Mutterhaus die Kohle ranzuschaffen, koste es was es wolle. Nur dumm, daß man da schon mal seinen moralischen Kompaß „verlegt“.
Dabei hätte ein Blick auf die unternehmenseigene Homepage genügt: „So verstehen wir Verantwortung. Wir wollen nachhaltig Wert schaffen: für unsere Kunden und Mitarbeiter, unsere Aktionäre und die Gesellschaft. Unser Ziel ist klar: unsere Leistungskultur muss mit einer Kultur der Verantwortung einhergehen.“

Fast drei Viertel des Wertes wurden seit 2008 vernichtet. Und geändert hat sich im Unternehmen nichts. Sieht so das Schaffen nachhaltiger Werte für Aktionäre aus? Glauben die eigentlich selbst, was sie da so von sich geben? Wenn ja, dann ist das ganz schön armselig und man muss sich fragen, ob da wirklich die richtigen Leute am Ruder sind. Wenn nein, ist es an sich schon kriminell. Sagen wir mal so: das „Unternehmensbekenntnis“ ist reinstes PR-Sprech und eigentlich nicht mehr als „gequirlte Scheiße“, um es mal politisch nicht-korrekt zu sagen. Mir tun nur die vielen, vielen Mitarbeiter „auf den unteren Rängen“ leid, die in ihrem Bereich hervorragende Arbeit leisten und von so manchem Entscheidungsträger schlichtweg missbraucht werden.
Die aktuelle Verlustmeldung als Weckruf? Nein, ich glaube ja auch nicht an den Weihnachtsmann. Und ein Supertanker ist einfach zu unbeweglich für eine abrupte Richtungsänderung. Aber eines weiß ich ganz sicher: der nächste „normale“ Bankräuber wandert auf jeden Fall in den Knast.

Lügen haben kurze Beine

Ich bin fassungslos – und mache mir so meine Gedanken.

An zwei Tagen hintereinander (21. und 22. September 2015) erleidet der Kurs der VW-Aktie einen Tagesverlust von jeweils rund 20 Prozent. Das nennt man einen Vernichtungsschlag. Mitte März 2015 erreichte der Aktienkurs mit rund 250 Euro sein Hoch. Heute, gut ein halbes Jahr später, gab es gegen 9 Uhr das gleiche Papier für unter 100 Euro zu kaufen. Das ist ein Kursverlust von rund 60 Prozent.

„Verantwortung – ein großes Wort, das heute inflationär genutzt wird.“ Sagt der Volkswagen-Konzern auf seiner Webseite. Sieh an.

Auf der VW-Webseite zur Verantwortung kann man weiter nachlesen: unternehmerische Verantwortung, Verantwortung für die Umwelt, Verantwortung für die Mitarbeiter, Verantwortung für die Produkte, Verantwortung für die Gesellschaft. Grosse, hehre Worte. Alles Makulatur und leere Worte, nichts dahinter? Das muss man sich nach diesem Super-GAU tatsächlich fragen.

Wie heisst es so schön auf der Webseite von Volkswagen: „Autos haben einen erheblichen Einfluss auf Mensch, Umwelt und Gesellschaft. Klar, dass daraus eine besondere Verantwortung erwächst.“ Weiter ist zu lesen: „Dieser unternehmerischen Verantwortung stellen wir uns unter dem Leitbild der Corporate Social Responsibility (CSR).“ Und schliesslich der Kern: „Dieses verantwortungsvolle Handeln hat bei uns Tradition und entspricht unserer Unternehmenskultur. Gleichwohl steigern wir damit auch unsere Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit.“

Das dürfte nach dem Abgas-Desaster wohl nur noch eine leere Phrase, eine Lachnummer sein und Wasser auf den Mühlen der Wettbewerber.

Offensichtlich war sich der VW-Verantwortliche der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst. Solch unverantwortliches Handeln ist Betrug. Betrug am Kunden, Betrug an den Aktionären, Betrug am makellosen Image der Marke „Volkswagen“, Betrug an der Marke „Made in Germany“, Betrug an den Beschäftigten, Betrug an den Zulieferern, Betrug an der Öffentlichkeit. Und wofür? Für mögliche zig-Millionen mehr Gewinn und einen fetten Bonus zum üppigen Gehalt?

Ein moralischer Kompass scheint den Verantwortlichen völlig zu fehlen. Das wichtigste Kapital ist Vertrauen. Hatte das nicht Angela Merkel erst kürzlich formuliert? Wo bleiben die ethischen Prinzipien von Treu und Glauben, Wahrheit und Klarheit? Hat der Verantwortliche die konzerneigene Webseite nicht gelesen?

Verantwortungsvolles Handeln, Tradition und Unternehmenskultur – alles nur Marketing-Sprechblasen? Offensichtlich.

Und wo blieb der gesunde Menschenverstand? Wie naiv muss der für dieses Desaster sicher hochbezahlte Verantwortliche bei VW sein, um nicht zu wissen, dass gerade in einer globalisierten Welt mit unbegrenzter Kommunikation, technisch interessierten Laien und vor allem die neiderfüllte Konkurrenz ein so eklatanter Verstoss gegen Sitte und Anstand unbemerkt bleibt? Ganz im Gegenteil: ein derartiges Fehlverhalten ist für die Konkurrenz ein gefundenes Fressen.

Der Name „Volkswagen“ hatte einen Klang wie Donnerhall und war ein nationales Symbol für Ingenieurskunst, fleissige Deutsche und den Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Mutwillig zerstört. Sollte man den Verantwortlichen nicht mit Schimpf und Schande aus dem Unternehmen jagen, ihn teeren und federn? Es gibt in der internationalen Geschäftswelt nicht Schlimmeres als Gesichtsverlust. Japaner haben sich schon aus weitaus geringeren Gründen in ihr Schwert gestürzt. Aber es wird wohl eher ein „goldener Handschlag“ sein auf Kosten der Aktionäre.

Der Traum, bis 2017 der weltweit führende Autobauer zu sein, dürfte erst mal ausgeträumt sein. Und es bleibt abzuwarten, wie sich die drohenden Schadenersatz- und Straf-Zahlungen auf das Ergebnis der kommenden Geschäftsjahre auswirken werden. Analysten sprechen von bis zu 100 Milliarden Euro und mehr, abhängig von den Klagen, die derzeit weltweit vorbereitet werden. Das ist rund die Hälfte eines Jahresumsatzes. Ein klarer Kauf scheint die Aktie also vorerst mal nicht zu sein.

PS:
Eine Warnung an uns Steuerzahler. VW beschäftigt hierzulande 200.000 Arbeitnehmer und weitere zig-Tausend in der Zulieferindustrie, mit Auswirkungen auf die Dienstleistungsbranche im jeweiligen Umfeld. Da könnte die Bundesregierung im Falle eines drohenden Pleite-Tsunamis auf die Idee kommen, Volkswagen für „systemrelevant“ zu erklären. Ich mein ja nur.