Mindestlohn nur eine Mogelpackung?

Die Grafik zeigt die nötige Zahl der Wochenarbeitsstunden zu Mindestlohn, die Alleinerziehende mit zwei Kindern 2013 leisten müssen, um über der Armutsgrenze zu leben.
Der Mindestlohn reicht in vielen Staaten nicht, um nicht in Armut zu leben, wie unsere Grafik auf Basis von Daten der OECD zeigt. Demnach reicht für eine(n) Alleinerziehende(n) mit zwei Kindern in vielen Ländern eine Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche zum gesetzlichen Mindestlohn nicht, um oberhalb der Armutsgrenze zu sein. In den USA benötigte man 2013 dafür 50 Stunden, in Griechenland gar 59 und in Tschechien deren 79. In Deutschland – wo der Mindestlohn jedoch erst seit 2015 gilt, wären in 2013 zu diesem Lohn 28 Stunden nötig gewesen.

Die Achterbahn-Fahrt des Bitcoin

  Sieht man sich den Kurs der Cryptowährung Bitcoin über die letzten Jahre an, dann hat man den Eindruck einer Berg-und-Tal-Bahn. Woran liegt das?
Glaubt man der Legende um den Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto, entstand Bitcoin als Reaktion auf die Finanzkrise im Jahre 2008. Dahinter stand die Vision einer Währung, die weder manipuliert noch wertlos werden konnte und von staatlichem Einfluss völlig frei war. Der politisch-finanzielle Komplex sollte aussen vor bleiben und keine Möglichkeit zum Eingreifen haben.
Die ersten Jahre brauchte Bitcoin, um überhaupt einen Wert zu entwickeln. Es musste sozusagen seinen Preis finden, denn die ersten Bits und Bytes hatten keinen Wert, weil niemand sie haben wollte. Erst mit dem ersten Kauf einiger Bitcoin – fünf Bitcoin bekam man damals für einen US-Cent – entstand ein Preis, der sich dann weiter entwickeln konnte. Tat er aber nur zögerlich, denn ausser in den Kreisen der sogenannten „Early Adopters“ war das Cryptogeld kaum bekannt. Dafür waren diese frühen Nutzer eine rege Szene, die engagiert und hart an der Weiterentwicklung arbeitete. In dieser Zeit entstanden viele Start-Ups, die heute die Szene bestimmen.
Der erste Testfall in der realen Welt kam im Jahre 2013 mit der Zypern-Krise. Lag der Bitcoin-Kurs im Januar 2013 noch bei unter 20 Euro, stieg er im April in der Spitze auf über 250 Euro an. Ein gewaltiger Schub. Was war passiert?
Die informierten Zyprioten hatten rechtzeitig entdeckt, wie sie die drohenden von der Regierung verhängten Beschränkungen des Zahlungsverkehrs und die Kapitalverkehrskontrollen umgehen konnten. Sie tauschten ihre Euro in Bitcoin, noch bevor die Regierung ihre Massnahmen umsetzen konnten. Der Kurs stieg und stieg und stieg. Dieser Anstieg blieb nicht unbemerkt und hatte zur Folge, dass Bitcoin immer mehr Menschen bekannt wurde. Das regierungs-unabhängige Finanzsystem war in der Welt.
Nach Beilegung der unmittelbaren Krise wurden die Bitcoin wieder in Euro getauscht und der Kurs fiel. Jetzt wurden aber auch die Mitspieler aufmerksam, die immer das Ohr am Puls der Finanzmärkte haben: die Trader, vulgo „Zocker“. Es gab etwas Neues, mit dem es sich trefflich zocken liess.
Die Geldmenge stieg zwar, weil die sogenannten Miner ständig neue Bitcoin produzierten, aber das Angebot hielt mit der Nachfrage nicht mit. Die Folge: der Kurs begann wieder zu steigen und erreichte gegen Ende 2013 sein vorläufiges unglaubliches Allzeit-Hoch von EUR 1.381,00 im Laufe des 28. November 2013. Der höchste Schlusskurs war mit EUR 835,00 am darauffolgenden Tag erreicht. Seitdem ging es stetig bergab. Bis zu diesem Jahr.
Und wieder war eine Finanzkrise, diesmal das griechische Schulden-Drama, der Auslöser für eine Bewegung im Bitcoin-Kurs. Schon früh zeichnete sich für informierte Kreise das drohende Desaster in Griechenland ab. Bereits im Januar 2015 gab es Hinweise auf einen erdrutschartigen Sieg der linken Syriza-Gruppe bei den griechischen Parlamentswahlen. In Verbindung mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gab es für die Wissenden nur eine Alternative: Bitcoin. Nach einem Panik-Peak (EUR 670,00 pro Bitcoin) am 6. Januar pendelte der Kurs zwischen 200 Euro und 620 Euro hin und her, stieg um sich bis heute auf rund 250 Euro einzupendeln.
Was sollte uns das sagen? Erstens: man sollte immer eine Alternative zu Regierungshandeln haben. Zweitens: man sollte stets so informiert wie möglich sein; man muss nicht alles wissen, aber mehr als der Andere. Drittens: man muss bereit sein, ausgetretene Pfade zu verlassen und Neuland zu betreten. Viertens: man sollte sich intensiv selbst um sein Geld kümmern, damit man langfristig behält, was man hat.
Bitcoin scheint sich überall auf der Welt als alternatives Finanzsystem zu etablieren. Zwar behandelt jedes Land das Cryptogeld unterschiedlich, aber in den fortschrittlicheren Ländern scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Bitcoin nichts anderes als eine Devise ist, genauso wie der Euro, der US-Dollar oder der Schweizer Franken. Was nichts anderes bedeutet, als dass bei sämtlichen Transaktionen mit Bitcoin nur die damit getauschten Güter und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht aber Bitcoin selbst. Ein Prozess zu dieser Definition ist gerade beim Europäischen Gerichtshof anhängig, eine Entscheidung im Sinne der Mehrwertsteuer-Freiheit wird dieser Tage erwartet.
Auch ich betrachte Cryptowährungen, hier vor allem Bitcoin und Litecoin, als interessante Alternative. Deshalb sind diese beiden Cryptogelder auch Bestandteil meiner Anlage-Strategie „Vom Euro unabhängig investieren“. Dabei schliesse ich nicht aus, den prozentualen Anteil am skandINvest-„Gesamtvermögen“ zu erhöhen.

 

Blind auf einem Auge?

Die Nachrichten und TV-Reportagen sind voll davon: arme griechische Bürger, die vor Suppenküchen anstehen, auf Müllhalden nach Lebensmitteln suchen und völlig verzweifeln, weil der Geldautomat keine Euro mehr ausspuckt. Taxifahrer, die befürchten, ihre gutbürgerliche Existenz samt Wohnung zu verlieren. Gastwirte voller Angst, ihr Restaurant schliessen zu müssen. Handwerker und Dienstleister, die keine Aufträge mehr bekommen und ihre Mitarbeiter entlassen müssen, die dann nicht mehr wissen, wie sie ihre Familien ernähren können.
Rentner sind zu sehen, die weinend zusammenbrechen und die Welt nicht mehr verstehen; verzweifelte Kranke, die nicht wissen, woher sie ihre Medizin bekommen, die sie nicht einmal bezahlen können.
Es sind schlimme Bilder, die seit ein paar Wochen über die Bildschirme flimmern. Und griechische Syriza-Abgeordnete reden von Würde, Erpressung und Staatsstreichen. Sie klagen die europäischen Politiker an, nicht genug zu tun und akute Hilfen zu verweigern. Sie fordern Solidarität und Bürger anderer Länder dazu auf, den europäischen Gedanken zu leben.
Stimmt, es ist schrecklich, all das mit ansehen zu müssen. Und es passiert in einem entwickelten Land mitten in Europa, nicht weit weg irgendwo in Afrika oder Asien. Es ist tatsächlich eine Schande, wie das griechische Volk derzeit leiden muss, wie die Bevölkerung immer mehr verarmt und sich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung breit machen.
Aber warum sehen die griechischen und anderen europäischen Politiker nur auf einem Auge? Griechenland ist mehr als Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Armut.

Denn auch das ist Griechenland: Eine kleine Gruppe von Griechen ist märchenhaft reich und denkt gar nicht daran, einen Teil des möglicherweise in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Rücken der eigenen Landsleute ergaunerten Vermögens abzugeben, um die schlimmste Not im Land zu lindern. Die griechischen Regierungen werden seit 1981 von Europa mit Milliarden (Kohäsionsfonds, Infrastrukturmassnahmen) unterstützt. Gelder, die in die Taschen der Kleptokraten, Oligarchen und Korrupten wanderte, statt Veränderungen im Land zu bewirken. Von reichen Reedern diktierte Verfassungsartikel zur Steuervermeidung mehren deren Reichtum seit Jahrzehnten. Vermögen im Ausland zu horten, gehört inzwischen zum Alltag der superreichen Griechen.
Sie sind stolz darauf, Griechen zu sein und lieben ihr Vaterland, wie sie nicht müde werden zu beteuern. Aber wenn es an den Geldbeutel geht, hört die Vaterlandsliebe auf. Nach meinen Informationen verfügen die reichsten Griechen über Vermögen von mehr als einer Billion Euro!
Und was das Merkwürdige ist: das ist kaum ein Thema in den Interviews mit griechischen, sozialistischen(!) Politikern. Keiner fordert eine Reichensteuer, keiner fordert einen Lastenausgleich, wie er in Deutschland nach dem Krieg verordnet wurde. Keiner macht sich daran, die Liste mit tausenden von griechischen Steuerhinterziehern abzuarbeiten und das Geld einzufordern. Keine Regierung verlangt auch nur einen Cent von den zwölf griechischen Familien, die dem Staat fünfzehn Milliarden Euro an Steuern schulden. Keine Regierung fordert die 2.000 reichsten Griechen dazu auf, ihren Teil dazu beizutragen, damit Griechenland wieder auf die Beine kommt. Irgendwie haben die Griechen ihre reichen Kleptokraten völlig ausgeblendet. Ein Ergebnis jahrzehntelanger „Erziehung“?
Es macht mich wütend, dass sich unsere Politiker sehenden Auges in diesen Wahnsinn treiben lassen. Sie werfen Geld in ein Fass ohne Boden, das in den eigenen Ländern an allen Ecken und Enden fehlt und für das noch viele Generationen nach uns geradestehen müssen, wenn diese Politiker schon längst nicht mehr im Amt sind. Da wird jetzt ein Europa „gerettet“, das es so nur in den Köpfen der europäischen Politiker gibt. Es macht mich wütend, dass gegebene Versprechen gebrochen werden, kaum dass man den Besprechungsraum verlassen hat. Da werden Regeln aufgestellt, die nicht eingehalten werden. Aber Regeln machen nur dann Sinn, wenn sich jeder von denen daran hält, die sich diese Regeln einvernehmlich gegeben haben.
Es macht mich wütend, dass Probleme mit Geld zugeschüttet werden, statt sie unter Einhaltung der gegebenen Regeln zu lösen. Schuldenschnitt? Natürlich nicht, aber man kann es ja anders benennen. Staatsfinanzierung durch die EZB-Hintertür? Nicht doch, da machen wir was ganz anderes. Transferunion? Ach was, doch nicht mit uns, ist nach den EU-Verträgen ja auch nicht vorgesehen. Aber in ein paar Jahren wird es genau darauf hinauslaufen. Das nächste Hilfspaket kommt bestimmt. Müssen Verträge nicht eingehalten werden? So habe zumindest ich es gelernt.
Welcher Mensch mit ein bisschen Verstand kann wirklich glauben, dass ein Staat mit 11 Millionen Bürgern in der Lage sein wird, seine Schulden von rund 500 Milliarden Euro zurückzuzahlen? Ohne Steuerreform, die den Namen auch verdient? Ohne Kürzung der Konsumausgaben des Staates? Ohne Erhöhung der Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln? Ohne radikalen Umbau der Verwaltung und der Behörden?
Da läuft etwas aus dem Ruder in Europa und es wird etwas zusammengepresst, was nicht zusammenpasst. Und Vertrauen, Ehrlichkeit, Wahrheit und Klarheit bleiben auf der Strecke. Ja, ich bin ein verdammt wütender Europäer, denn ich möchte in einem Europa leben, das gerade wegen seiner grossen nationalen und kulturellen Unterschiede innerhalb allgemein gültiger Regeln existiert und ein friedliches Zusammenleben ermöglicht.

Die griechische List(e)

 

So weit, so gut. Reformen gegen Geld. Der griechische Reformvorschlag liegt auf dem Tisch. Jetzt ist es an den europäischen Institutionen, die Vorschläge durchzurechnen und zu bewerten. Immerhin sind die Vorschläge ziemlich gewagt, da sie doch dem „Oxi“ des griechischen Volksreferendums enorm widersprechen. Schauen wir uns doch mal die wichtigsten Punkte an:

Die Rentenreform bringt eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Fünf Jahre früher kann nur der in Rente gehen, der mindestens 40 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat. So weit, so richtig. Diese Änderung nimmt auch vielen Stammtischen den Wind aus den Segeln, die stets darauf verweisen, dass wir bis 67 arbeiten müssen, um die „mit Mitte 50 schon in Rente gehenden Griechen“ durchzufüttern. Auch der höhere Beitrag der Rentner für die Gesundheitskassen ist angesichts steigender Kosten für die medizinische Versorgung gerechtfertigt. Was mir nicht gefällt, ist die Abschaffung Solidaritätszulage Ekas für die niedrigen Renten. Das könnte eine sozial(istisch)e Regierung besser hinbekommen: die Einführung eines Solidaritätsabschlags bei den höheren Renten als Ausgleich der Solidaritätszulage für die niedrigeren Renten. Das wäre eine innere Umschichtung ohne grosse Aussenwirkung, brächte aber höheren Konsum im Inland und würde einen Teil dazu beitragen, die Wirtschaft anzukurbeln.
Die Einsparung bei der Verteidigung bis 2016 ist nur ein Kompromiss, wenn auch ein schlechter. Dabei wäre es ein leichtes, die Verteidigungsausgaben auf ein Prozent des BIP zu begrenzen. Die Zwei-Prozent-Illusion der NATO bringt ausser mehr Umsatz für die europäische und vor allem die amerikanische Rüstungsindustrie weder grössere Effizienz noch eine höhere Sicherheit für Europa. Da wird ein enormes Einsparungspotenzial nicht genutzt.
Die Privatisierungen bringen Geld in die Kasse, ohne die Leistungen des Staatsapparates für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung zu mindern. Die See- und Flughäfen können privatwirtschaftlich vermutlich effizienter betrieben werden, an der „griechischen Telekom“ muss der Staat nicht beteiligt sein, ebensowenig wie an der Bahn. Auch in Deutschland sind Post und Telekom privatisiert worden und auch die Bahn strebt einen Börsengang an. Nichts ungewöhnliches also in der heutigen Zeit und es bringt Geld in die Kasse, das der Staat dringend braucht.
Der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung ist auch ein Punkt auf der Liste. Allein, mir fehlt der Glaube an die Umsetzung. Im Land des Fakelaki und der Oligarchen ist das ein mutiger Vorschlag der griechischen Regierung. Zumal es da in den vergangenen Jahren bereits von jeder Regierung ähnliche Versprechen gab – ohne Resultat.
Die Steuerreform sieht vor, die Mehrwertsteuer landeseinheitlich auf 23 Prozent anzuheben. Für Grundnahrungsmittel, Strom und Wasser sollen 13 Prozent gelten. Medikamente, Bücher und Theaterkarten sollen nur mit sechs Prozent belegt werden. Unternehmen zahlen jetzt 28 statt 26 Prozent Steuer, Swimmingpools und Luxusjachten über einer Länge von fünf Metern wird eine Luxussteuer von 13 Prozent aufgeladen. Wobei mir nicht klar ist, ob Letztere Steuer nur bei Neuerwerb oder auch für bereits in Besitz befindliche Luxusjachten zu zahlen ist. Neue Jachten kann man ja überall auf der Welt kaufen, da muss man nicht nach Griechenland gehen. Viel Geld dürfte in diesem Fall nicht dabei rumkommen. Die bestehenden Steuervorteile für die meisten Inseln sollen bis Ende des nächsten Jahres abgeschafft werden.
Die Eintreibung ausstehender Steuern ist … Moment mal, da scheint eine Seite der Liste zu fehlen. Die bisher aufgeführten Reformvorschläge treffen in der Regel die ärmeren Bürger und die Mittelschicht. Die Steuerprivilegien der Reeder sollen zwar abgeschafft werden, aber was ist mit den von Oligarchen und Reedern ausstehenden Steuern der vergangenen Jahre? Was ist mit den sogenannten Reichen und den Kleptokraten, die Griechenland erst in diese Lage gebracht haben? Allein zwölf reiche griechische Familien schulden dem griechischen Staat 15 Milliarden Euro an nicht gezahlten Steuern, wie Jorgo Chatzimarkakis (ehemaliges EU-Parlament-Mitglied) berichtet. Wann, wenn nicht jetzt, hätte das geschlossen auftretende griechische Parlament die historische Möglichkeit, an der verfahrenen Situation etwas zu ändern, zugunsten der Steuergerechtigkeit und Gleichbehandlung aller Griechen. Und es würde ein verdammt starkes Signal an die übrigen Europäer senden, statt die Reichsten weiterhin zu schonen.
Ob das die griechischen Bürger selbst auch bald merken?